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Belladonnawurzel - Belladonnae radix [DAC 2003]

Stammpflanze: Atropa bella-donna L. / Tollkirsche [Fam. Solanaceae / Nachtschattengewächse]. Synonyme: Atropa lethalis SALISB., Atropa lutescens JACQ. ex C. B. CLARKE, Atropa pallida BORNM., Belladonna baccifera LAM., Belladonna trichotoma SCOP. Dt. Synonyme: Chrottenblueme, Deiwelskersche, Judenkernlein, Judenkirsche, Rasewurz, Schwarzber, Teufelsauge, Teufelsberi, Teufelsglückle, Teufelskirsche, Tintenbeer, Tollbeere, Tollkraut, Waldnachtschatten, Wolfsbeere, Wolfskirsche. Englisch: Banewort, deadly nightshade, dway berries, morel.
Botanische Beschreibung der Stammpflanze: In Mitteleuropa im Juni und Juli blühende, 1 bis 2 m hohe Staude mit dickem, walzenförmigen Wurzelstock. Die bis 15 cm langen, ganzrandigen Blätter sind eiförmig-zugespitzt und flaumig behaart. Die einzeln stehenden Blüten sind überhängend. Der fünfspaltige Kelch ist zur Fruchtreife sternförmig ausgebreitet. Die 2,5 bis 3,5 cm langen, violetten, innen schmutzig gelben, purpurrot geaderten Kronblätter sind röhrig-glockig verwachsen. Aus dem oberständigen Fruchtknoten entwickelt sich eine kugelige, zuerst grüne, dann glänzend schwarze, kirschgroße Beere, die viele eiförmige, schwarze Samen enthält.
Verbreitung:
Auf Kalk in schattigen Bergwäldern, auf Waldlichtungen und an Säumen in W-, M- und S-Europa, östlich bis Kleinasien, südlich bis N-Afrika, nördlich bis Dänemark, Schweden, Irland.
Droge: Die überwiegend aus Wildvorkommen in Ost- und Südosteuropa stammenden, vor oder nach der Blütezeit gesammelten und bei etwa 50° C getrockneten Wurzeln und Wurzelstöcke.
Beschreibung der Droge:
Die häufig längs gespaltenen Wurzeln und Wurzelstöcke besitzen eine hellgraubraune, längsfurchige Außen- und grauweiße Innenseite. Die Wurzel ist zylindrisch und bis 2 cm dick, die Wurzelstöcke sind ein- oder mehrköpfig und etwa 20 bis 50 mm dick. Der Querbruch der Wurzel ist nahezu glatt, der Wurzelstöcke außen kurzfaserig und innen nahezu glatt.
Geruch und Geschmack: Fehlender oder nur schwach wahrnehmbarer, uncharakteristischer Geruch und zunächst süßlicher, dann bitterer und zuletzt scharfer Geschmack.
Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Tollkirschenwurzel. Englisch: Belladonna root, deadly nightshade root. Lateinisch: Radix belladonnae.
Inhaltsstoffe: Alkaloide: Gehalt 0,3 bis 1,2 %. Bestehend aus etwa 70 % L-Hyoscyamin, 18 % Apoatropin, 3 % Tropin, 0,8 % Scopolamin sowie einer Reihe weiterer Alkaloide (Spektrum reichhaltiger als in oberirdischen Teilen).
Wirkungen: Die Wirkungen der Droge entsprechen allgemein denen von (-)-Hyoscyamin bzw. dem des Racemats Atropin, d. h. parasympatikolytische Wirkung mit einer allgemeinen Erschlaffung der glatten Muskulatur und einer Aufhebung spastischer Zustände vor allem im Bereich des Gastrointestinaltrakts und der Gallenwege. In höheren Dosen auch Antagonisierung der Wirkungen von Acetylcholin an Ganglien und motorischen Endplatten (nikotinerge Acetylcholinwirkung) und seiner Transmitterfunktion im Gehirn und damit zentralerregende Wirkung.
Anwendung: Spasmen und kolikartige Schmerzen im Bereich des Gastrointestinaltrakts.
Dosierung und Art der Anwendung: Maximale Einzeldosis entsprechend 0,50 mg Gesamtalkaloiden, maximale Tagesdosis entsprechend 1,5 mg Gesamtalkaloiden.
Anwendungsbeschränkungen: Nicht anzuwenden in der Stillzeit sowie bei tachykarden Arrhythmien, Prostataadenom mit Restharnbildung, Engwinkelglaukom, akutem Lungenödem, mechanischen Stenosen im Bereich des Magen-Darm-Traktes, daneben auch nicht bei sehr hoher Außentemperatur (Gefahr der Hyperthermie durch verminderte Schweißsekretion).
Akute Toxizität: Bis zu einer etwa 3,0 mg Atropin entsprechenden Menge Drogenmaterial Vergiftungssymptome, die auf die peripheren Atropinwirkungen zurückzuführen sind (Rötung des Gesichts, Trockenheit der Schleimhäute mit Durstgefühl, Schluckstörungen und Heiserkeit, beschleunigter Puls sowie Mydriasis mit maximal erweiterten, starren Pupillen), ab etwa 3,0 mg Atropin zentral erregende Wirkung mit starker motorischer Unruhe, Rededrang, Halluzinationen, Delirien und Tobsuchtsanfällen, die meist in Schlaf und Erschöpfung enden, bei noch höheren Dosen zentrale Lähmung mit Gefahr des Atemstillstands. Die letale Dosis beginnt bei Erwachsenen bei 100 mg Atropin bzw. 10 mg (-)-Hyoscyamin, bei Kindern bei wenigen mg Atropin.
Allgemeine Therapiemaßnahmen bei akuter Vergiftung: S. Belladonnae folium. Vergiftungen treten jedoch nur selten auf (evtl. bei volksmedizinischer Anwendung von Drogenzubereitungen).


Bilder:

Die Tollkirsche ist eine bis 2 m hoch werdende Staude, die auf kalkhaltigen Böden in Bergwäldern, auf Waldlichtungen und an Säumen anzutreffen ist (s. Abbildung links oben). Die einzeln stehenden Blüten besitzen eine zu einer glockigen Röhre verwachsene, violett gefärbte Krone (s. Abbildung links unten). Für den Namen der Pflanze verantwortlich sind die zur Reife fast schwarz gefärbten Früchte (s. rechte Abbildung), deren äußeres an Kirschen erinnert und deren Genuss ab einer bestimmten Dosis zu Tobsuchtsanfällen führen kann.


Literatur: Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002; Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Band 3, Drogen A-D, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1993; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database].

© Thomas Schöpke