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Nelkenwurz - Gei urbani rhizoma (Caryophyllatae rhizoma)

Stammpflanze: Geum urbanum L. / Echte Nelkenwurz [Fam. Rosaceae / Rosengewächse]. Synonyme: Caryophyllata officinalis MOENCH, Caryophyllata urbana SCOP., Caryophyllata vulgaris LAM., Geum caryophyllata GILIB. Dt. Synonyme: Zu den zahlreichen, meist nur regionalen und heute zudem kaum noch gebrauchten deutschen Bezeichnungen zählen u. a. Benediktenkraut, Busch-Nelkenwurz, Eisenkrautwurzel, Fleckenchrut, Frieselkraut, Gelber Benedikt, Gemeiner Sünmund, Heil der Welt, Höllenstein, Igelkraut, Johanneswurzel, Johanniskraut, Karaffel, Mannskraft, Märzwurz, Mauer-Nelkenwurz, Nägelkraut, Nardenwurz, Neidstöck, Nelkenkraut, Sanamundkraut, Spengelskapp, Weinwurz und Wilder Sanikel. Englisch:  avens, Bennet's-root, cloveroot, herb-bennet,  wood avens.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Von Mai bis Oktober blühende, mehrjährige, 30 bis 120 cm hohe Staude. Der flaumig behaarte Stengel ist aufrecht und meist erst im oberen Teil ästig verzweigt. Die Grundblätter und unteren Stengelblätter sind unterbrochen gefiedert, die mittleren dreizählig und die obersten nur noch dreiteilig, die eiförmigen Blättchen besitzen einen gezähnten Rand. Die Nebenblätter der Stengelblätter sind groß und laubblattartig. Der Blütenstand ist locker und fast etwas sparrig verzweigt. Die endständigen Blüten sitzen auf recht langen, dicht behaarten, aufrechten Stielen. Sie bestehen aus jeweils 5 Kron-, Kelch- und Außenkelchblättern und zahlreichen Staub- und Fruchtblättern. Die Kelchblätter sind 3 bis 8 mm lang, zugespitzt, außen behaart und innen bis auf den weißfilzig behaarten Rand kahl, an der Blüte abstehend und an der Frucht zurückgeschlagen, die Außenkelchblätter schmal lineal-lanzettlich, beiderseits behaart und etwa halb so lang. Die gelben Kronblätter sind 3 bis 7 mm lang, die Fruchtblätter sind frei und die Griffel krümmen sich zur Fruchtreife hakenförmig zusammen.

Verbreitung: Die Heimat der Echten Nelkenwurz erstreckt sich von Tunesien, Algerien und Marokko über den gesamten europäischen Kontinent bis nach Vorderasien (Iran), Mittelasien (Kirgisien) und West-Sibirien. Darüber hinaus wurde die Art auch nach Nordamerika verschleppt. Anzutreffen ist die Nelkenwurz bevorzugt in Hecken, an Mauern und Zäunen und in Wäldern.

Droge: Die getrockneten unterirdischen Teile von Geum urbanum L.

Beschreibung der Droge: Die Droge besteht aus dem Wurzelstock, der Primärwurzel und zahlreichen Nebenwurzeln. Der außen dunkelbraune Wurzelstock ist fingerdick, 3 bis 8 cm lang, überwiegend einfach, im oberen Teil meist etwas verdickt und mit Stengel- und Blattstielresten besetzt, wodurch er schuppig geringelt erscheint. Im unteren Teil besitzt er eine kegelförmig Gestalt und geht in die schräg abwärts gerichtete Primärwurzel über. Die hellbraunen Nebenwurzeln sind bis 2 mm dick und etwa 5 mm lang. Der Bruch des Wurzelstocks ist glatt. Im Querschnitt ist eine schmale, gelblichweiße bis bräunliche Rinde, ein heller, stellenweise unterbrochener, ringförmiger Holzkörper und ein rötlichbraunes bis braunviolettes Mark zu erkennen. Der Bruch der Wurzel ist ebenfalls glatt, die Rinde hell und von unterschiedlicher Breite, der Holzkörper oft vier- oder fünfstrahlig.

Geruch und Geschmack: Geruch schwach nach Nelken (besonders deutlich wahrnehmbar beim Zerreiben des frischen Rhizoms), Geschmack adstringierend und schwach bitter.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Benediktenwurzel, Igelkrautwurzel, Mannskraftwurzel, Märzwurzel, Nardenwurzel, Nelkenwurzel, Weinwurzel. Englisch: Avens root, Bennet's root, Colewort, Common avens root, wood avens. Lateinisch: Gei urbani radix, Radix Caryophyllati, Radix Gei urbani, Radix Sanamundae.

Herkunft: Ausschließlich aus der Sammlung von Wildvorkommen. Drogenimporte erfolgen aus Ost- und Südosteuropa.

Gewinnung der Droge: Gesammelt wird kurz vor oder zu Beginn der Blütezeit im Mai, getrocknet an der Luft oder unter künstlicher Wärmezufuhr bei einer Höchsttemperatur von 35 °C.

Inhaltsstoffe: Gerbstoffe: Gehalt in den Wurzeln bis 18 %, in den Wurzelstöcken bis 28 Prozent. Überwiegend Vertreter des Gallotannintyps, daneben auch D-Catechin, freie Gallussäure, 6-Galloylglucose und Ellagsäure. Ätherisches Öl: Gehalt 0,02 bis 0,15 %. Hauptkomponente mit einem Anteil von 65 bis 75 % ist Eugenol. Als Nebenkomponenten wurden ca. 30 Monoterpene nachgewiesen, darunter reichlich cis- und trans-Myrtanal sowie cis- und trans-Myrtanol und Anethol. Kohlenhydrate: Fructose, Glucose, Saccharose, Vicianose (α-L-Arabinopyranosyl- (1-->6)-D-glucose). Sonstige Bestandteile: Etwa 0,01% Gein (= Eugenolvicianosid), Äpfel-, Ascorbin-, Chlorogen-, Citronen- und Kaffeesäure.

Wirkungen: Wirksamkeitsnachweise für Extrakte und Zubereitungen aus der Nelkenwurz fehlen. Infolge des hohen Gerbstoffgehalts der Droge ist eine adstringierende und antiseptische Wirkungsamkeit zu erwarten. Das als Hauptbestandteil des ätherischen Öls vorkommende Eugenol besitzt antimikrobielle Eigenschaften. Zu beachten ist jedoch der relativ geringe Gehalt an ätherischem Öl.

Anwendungsgebiete: Die Anwendung von Nelkenwurz erfolgt ausschließlich in der Volksheilkunde. Innerlich verwendet man die Droge bei Durchfallerkrankungen, Verdauungsstörungen und Appetitlosigkeit. Die Wirksamkeit bei den genannten Anwendungsgebieten ist nicht belegt. Die äußerliche Anwendung erfolgt bei Schleimhaut- und Zahnfleischentzündungen, Hautkrankheiten, Frostbeulen und als Badezusatz bei Hämorrhoiden. Auch für die äußerlichen Anwendungsgebiete ist die Wirksamkeit nicht belegt. Infolge der adstringierenden Wirkung der enthaltenen Gerbstoffe erscheint die Wirksamkeit jedoch plausibel, doch ist die Wirksamkeit nicht hinreichend dokumentiert.

Gegenanzeigen: Keine bekannt.

Unerwünschte Wirkungen: Keine bekannt.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Zur Behandlung leichter Durchfallerkrankungen wird 1/2 bis 1 Teelöffel grob gepulverter oder geschnittener Droge mit siedendem Wasser übergossen und nach 10 min durch ein Teesieb oder Tuch gegeben. Mehrmals täglich eine Tasse lauwarmen Tee trinken. Für die äußerliche Anwendung einschließlich der Mund- und Rachenspülungen ist 1 Teelöffel der grob gepulverten Droge mit kaltem Wasser anzusetzen und etwa 10 Minuten aufzukochen. Die Zubereitung wird anschließend durch ein Teesieb oder Tuch filtriert.

Sonstige Verwendung: Sehr selten auch als Zusatz von Likören, Branntweinen, Zahnpasta und Mundwässern verwendet.


Bilder:

Die Nelkenwurz ist eine mehrjährige, zum Teil über einen Meter hoch werdende, aufrechte Pflanze mit überwiegend gefiederten Blättern (s. Abbildung links oben). Die kleinen, gelben Blüten befinden sich am Ende langer, dicht behaarter Stiele. Bereits kurz nach dem Aufblühen bzw. bei leichten Berührungen fallen die Kronblätter ab. Wie bei vielen Rosengewächsen ist neben dem "normalen" Kelch noch ein aus schmalen, lineal-lanzettlichen Blättern bestehender Außenkelch vorhanden (s. Abbildung rechts oben). Das Gynoeceum besteht aus zahlreichen freien Fruchtknoten mit langen, vorne hakigen Griffeln (s. Abbildung links unten). Betrachtet man die Früchte etwas genauer, so wird deren Behaarung sichtbar (s. Abbildung rechts unten).


Literatur: Hager-ROM 2003, Springer-Verlag; Jäger EJ, Werner KW, Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland, Band 4, Gefäßpflanzen: Kritischer Band, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin 2002; Kosman VM, Blinova KF, Zenkevich IG, Identification and determination of eugenol in Geum urbanum L. roots,  Rastitel'nye Resursy 31: (1995): 93-7 (ref. C.A. AN 1996:7850); Khabibov ZK, Khalmatov, KK, Phytochemical study of Geum urbanum and Geum rivale growing in Uzbekistan, Mater. Yubileinoi Resp. Nauchn. Konf. Farm., Posvyashch. 50-Letiyu Obraz. SSSR 1972: 68-70 (ref. C.A. AN 1975:167497); Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database]; van Wyk BE, Wink C, Wink M, Handbuch der Arzneipflanzen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2004; Wichtl M (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002.


© Thomas Schöpke