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Wacholderbeeren - Iuniperi pseudo-fructus
[Ph. Eur. 7.2 (07/2011:1532)]

Stammpflanze: Juniperus communis L. / Gewöhnlicher Wacholder [Fam. Cupressaceae / Zypressengewächse]. Synonyme: Keine gebräuchlich. Die in der Literatur gelegentlich als Unterart genannte ssp. alpina (NEILR.) CELAK [Synonyme Juniperus communis L. ssp. nana (WILLD.) SYME in SOWERBY, Juniperus nana WILLD.] besitzt eigenständigen Artrang [= Juniperus sibirica BURGSDORF - Zwerg-Wacholder]. Dt. Synonyme: Es existieren nahezu unzählige regionale und heute meist kaum noch gebrauchte Bezeichnungen. Diese leiten sich zum Teil von "Wacholder" ab wie z. B. Bacholler, Queckholder, Steckholder, Wachalder, Wachandel, Wachel, Wacheln, Wachelte, Wachheck, Wachlstrauch, Wachtel, Wachtelboom, Wackholler, Waglerstrauch, Weckholder, Wegbaum, Weghaftererer, Wegholder und Wekelter. Weitere Synonyme sind u. a. Blaukirschen, Blutschwitzer, Danne, Dannebusch, Einberen, Feldcypresse, Feuerbaum, Hagedorn, Holder, Holderbaum, Holderstrauch, Holler, Jachandel, Jachel, Jachendelbeere, Jochandelbeere, Knaster, Knickel, Knister, Knisterbeere, Knisterbusch, Kramatstauden, Krammet, Kranawitter, Kranewitt, Kranlebeere, Kranzen, Krematbeere, Kromadaxen, Machandel, Machandelbeerenbaum, Macholder, Machollerbaum, Maggandel, Prickelbusch, Quackel, Quäkelbusch, Queckolter, Reckbaum und Rehbaum. Englisch: common juniper, Juniper, Juniper-tree.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Im Durchschnitt 1 bis 5 m hoher, selten bis 12 m hoch werdender, aufrechter, häufig säulenförmig wachsender Nadelstrauch. Die Rinde ist anfänglich glatt, später rissig, sich faserig abschälend und graubraun werdend. Die immergrünen Blätter sind nadelförmig und stets in 3blättrigen Quirlen angeordnet, 10 bis 15 mm lang und ca. 1,5 mm breit sowie stumpf bis stachelspitzig. Ein typisches Blattmerkmal ist der deutlich blauweiße Wachsstreifen auf der Blattoberseite. Blüten eingeschlechtig, Pflanzen meist zweihäusig. Die gelblichen, 4 bis 5 mm langen, aus 3 schuppenförmigen, vorn zugespitzten Staubbeuteln bestehenden, in mehreren alternierenden Quirlen angeordneten männlichen Blüten werden im Herbst als kurze Seitensprosse in den Blattachseln der mittleren Nadelquirle eines Zweiges angelegt. Die weiblichen Blüten sind einzeln und aufrecht stehend. Sie bestehen aus mehreren 3gliedrigen Quirlen länglicher, spitzer Schuppenblätter. Die 3 Samenanlagen befinden sich zwischen den obersten Schuppenblättern, die nach der Bestäubung fleischig werden und den Samen völlig einschließen, so dass der Zapfen des Wacholders rein äußerlich den Anschein einer Beere erweckt und daher auch als "Beerenzapfen" oder "Scheinbeere" bezeichnet wird. Der Beerenzapfen ist kugelig, im unreifen Zustand grünlich und saftlos, zur Reife schwarz-braun, bläulich bereift, und 4 bis 9 mm dick. Die drei hellbraunen, länglich-dreikantigen, zwischen den Kanten etwas warzigen Samen besitzen eine harte Schale.

Verbreitung: Heimisch in der gemäßigten Zone der gesamten Nordhalbkugel der Erde. In Mitteleuropa besonders anzutreffen in Halbtrocken- und Magerrasen, Felsgebüschen und mäßig trockenen, lichten Wäldern.

Droge: Die getrockneten, reifen Beerenzapfen von Juniperus communis L., die bezogen auf die wasserfreie Droge einen Mindestgehalt an ätherischem Öl von 10 ml/kg (= 1,0 Prozent) aufweisen.

Beschreibung der Droge: Der aus 3 fleischigen Fruchtschuppen bestehende beerenartige Zapfen ist kugelig, bis 10 mm groß, violettbraun bis schwarzbraun und häufig bläulich bereift. Am Scheitel findet sich ein 3strahliger, geschlossener Spalt mit 3 undeutlichen Höckern und an der Basis ist häufig noch ein Stielrest vorhanden. Der fleischige Teil ist krümelig und bräunlich. Er enthält 3, selten 2 kleine, längliche, sehr harte, scharf 3kantige Samen, die im unteren Teil an der Außenseite ihrer Basis mit dem fleischigen Teil des Beerenzapfens verwachsen sind. An der Rückseite sind die Samen etwas abgerundet und nach oben zugespitzt und an der Außenfläche liegen sehr große, eiförmige Öldrüsen mit harzig-klebrigem Inhalt.

Geruch und Geschmack: Eigenartig würziger Geruch und süßer, aromatisch-würziger Geschmack.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Machandelbeeren, Kranewitterbeeren, Kaddigbeeren, Reckholderbeeren. Englisch: Juniper, juniper berry, juniper fruit. Lateinisch: Baccae Juniperi, Drupae Juniperi, Fructus Juniperi, Galbuli Juniperi, Iuniperi fructus, Juniperi fructus, Pseudofructus iuniperi.

Herkunft: Importiert vor allem aus Italien sowie ferner aus Kroatien, Albanien, Rumänien und Ungarn.

Gewinnung der Droge: Die reifen Beerenzapfen werden Ende August bis Oktober des zweiten Jahres durch Abschütteln oder Abklopfen auf Leintücher, selten auch durch Pflücken per Hand, geerntet, sorgfältig verlesen und dann luftgetrocknet. Gelegentlich wird bei maximal 35 °C nachgetrocknet. Die Lagerung erfolgt in Stoff- oder Papiersäcken.

Inhaltsstoffe: Ätherisches Öl: Gehalt je nach Herkunft 0,8 bis 2 %. Überwiegend Monoterpene mit α-Pinen (30-40 %), Sabinen (13-29 %), Myrcen (7-18 %), Limonen (2,5-11 %), Terpinen-4-ol (0,7-6 %) und ß-Pinen (2-3 %) als Hauptkomponenten, daneben auch Sesquiterpene, unter diesen u. a. Germacren D, ß-Caryophyllen, γ-Muurolen und γ-Elemen. Diterpene: Die Communsäuren  Isocommunsäure (= Myrcecommunsäure), cis- und trans-Communsäure im Verhältnis 48:36:15. Weitere Bestandteile: Invertzucker (30 %), Catechingerbstoffe (3-5 %), Leucoanthocyane, Flavonoide und Biflavone. Das Vorkommen von Podophyllotoxin wurde nur in einer älteren, experimentell schwer nachvollziehbaren Arbeit beschrieben und seitdem nicht mehr bestätigt.

Wirkungen: Erhöhung der Harnausscheidung. An der glatten Muskulatur spasmolytisch, motilitätsfördernd und sekretionsfördernd. Die vermehrte, nicht mit einem Verlust an Natriumionen verbundene Erhöhung der Harnmenge (= aquaretische Wirkung) wird vermutlich durch eine Reizung des Nierenparenchyms und die dadurch ausgelöste vermehrte Durchblutung desselben verursacht. Weiterhin wurden für die Droge blutdrucksenkende, antidiabetische, antiexsudative und antivirale Effekte nachgewiesen, die jedoch für den therapeutischen Gebrauch ohne Relevanz sind.

Anwendungsgebiete: Dyspeptische Beschwerden wie Aufstoßen, Sodbrennen und Völlegefühl. Als Badezusatz zur unterstützenden Behandlung bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Zur Durchspülungstherapie bei bakteriellen und entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege und zur Entwässerung im Rahmen einer so genannten "Frühjahrskur". Weiterhin zur Förderung einer geregelten Menstruation und Linderung schmerzhafter Menstruationsblutungen, zur Anregung der Schweißsekretion, zur Linderung des Hustenreizes bei Erkrankungen der Respirationsorgane sowie äußerlich in Form von Tinkturen und Linimenten bei Hautausschlag und zur Desinfektion von Wunden. Abgesehen von den auf dem diuretischen Effekt beruhenden Indikationen existieren für die volkstümlichen Anwendungsgebiete keine Wirksamkeitsbelege.

Gegenanzeigen: Schwangerschaft und entzündliche Nierenerkrankungen. Die äußere Anwendung darf bei Vorliegen größerer Hautverletzungen, akuter Hautkrankheiten, schwerer fieberhafter und infektiöser Erkrankungen, Herzinsuffizienz und Hypertonie nur nach Rücksprache mit einem Arzt erfolgen.

Unerwünschte Wirkungen: Bei längerer Anwendung oder bei Überdosierung können Nierenschäden auftreten. Diese werden insbesondere durch α-Pinen und ß-Pinen verursacht. Aus diesem Grund sollten generell möglichst Wacholderbeeren verwendet werden, die arm an Pinenen und reich an Terpinen-4-ol sind.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Die Tagesdosis beträgt 2 bis 10 g Wacholderbeeren. Bei dyspeptischen Beschwerden vollreife (blau gefärbte) Beerenzapfen über den Tag verteilt kauen. Zur Bereitung eines Teeaufgusses 2 g (1 Teelöffel entspricht ca. 3 g) kurz vor Gebrauch zerstoßener Wacholderbeeren mit einer Tasse heißem Wasser übergießen, 5 Minuten abgedeckt stehen lassen und anschließend durch ein Teesieb oder Tuch geben. Dreimal täglich eine Tasse trinken. Zur Durchspülungstherapie Tee wie oben beschrieben herstellen und anwenden. Alternativ können Fertigarzneimittel, die meist Wacholderöl enthalten, oder reines Wacholderöl eingenommen auf einem Stück Zucker (3 x täglich 10 Tropfen) verwendet werden. Die Anwendungsdauer sollte auf einen Zeitraum von 4 bis 6 Wochen beschränkt werden. Für die äußerliche Anwendung als 10 bis 20minütiges Vollbad bei einer Wassertemperatur von 35 bis 38° C verwendet man fast ausschließlich industriell hergestellte Bäder.

Sonstige Verwendung: Wacholder ist ein beliebtes Küchengewürz und außerdem der wichtigste Ausgangsstoff zur Herstellung von Gin. Auch zur Herstellung anderer Spirituosen wie z. B. Doornkaat, Genever oder Steinhäger wird Wacholder verwendet.


Bilder:

Wacholder bevorzugt offene, lichte Standorte in Heiden, denen er mit seiner typischen Gestalt ein charakteristisches Erscheinungsbild verleiht (Abbildung links oben). Die Blätter sind nadelförmig (Abbildung rechts oben) und die Früchte (Abbildungen links und rechts unten) erreichen zur Reifezeit  eine etwa dunkelblaue Farbe. Aus botanischer Sicht handelt es sich bei den Früchten um so genannte Beerenzapfen, bei denen die drei Fruchtblätter miteinander und mit den bei anderen Arten schuppenförmigen Hochblättern verwachsen und fleischig geworden sind. Aus diesem Grund trägt die Droge auch den Namen Juniperi pseudo-fructus = Scheinfrüchte. Weiterhin bemerkenswert ist der Umstand, dass Wacholder eine diözische (zweihäusige) Pflanze ist. Aus diesem Grund findet man stets Pflanzen ohne Früchte.


Literatur: Chatzopoulou P, de Haan A, Katsiotis ST, Investigation on the Supercritical CO2-Extraction of the Volatile Constituents from Juniperus communis Obtained under Different Treatments of the "Berries" (Cones), Planta Med. 68 (2002): 827-83; Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002 und 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; Hager-ROM 2003, Springer-Verlag; Jäger EJ, Werner KW, Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland, Band 4, Gefäßpflanzen: Kritischer Band, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin 2002; Lagoni N, Wacholder - "zwischen Tradition und Gegenwart", Naturheilpraxis 2002, H. 9, S. 1272-1275; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 228 vom 05.12.1984; Roloff A, Der Baum des Jahres 2002: Wacholder - Juniperus communis L., Drogenreport 15 (2002, H. 27): 44; Schilcher H, Kammerer S, Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer, München Jena 2003; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database]; Wichtl M (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002.


© Thomas Schöpke