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Ingwerwurzelstock - Zingiberis rhizoma [Ph. Eur. 5. Ausgabe, Grundwerk 2005]

Stammpflanze: Zingiber officinale ROSCOE / Ingwer [Fam. Zingiberaceae / Ingwergewächse]. Synonyme: Amomum zingiber L. Dt. Synonyme: Nicht gebräuchlich. Englisch: Ginger.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Ingwer ist eine ausdauernde Staude, die einen kräftigen, fleischigen, mehr oder weniger tief horizontal im Boden kriechenden, in knollige Abschnitte unterteilten Wurzelstock besitzt. Dieser verzweigt sich in einer Ebene in Seitensprosse, die sich zu weiteren Seitensprossen verzweigen. Aus den einzelnen dicken, kurzen Knollengliedern treibt jährlich ein 1 - 2 m hoher blütenloser Scheinstängel, der aus den umeinander gerollten langen Blattscheiden besteht. Die zweizeilig dem Scheinstängel entspringenden Blattspreiten sind bis über 20 cm lang, lineallanzettlich, ganzrandig, vorn zugespitzt und durchscheinend punktiert. Neben dem Scheinstängel entspringen dem Rhizom bis 30 cm hohe blütentragende Sprosse, die dicht mit scheidigen Blättern besetzt sind. Die zygomorphen Blüten befinden sich in einer bis 5 cm langen Ähre. Sie entspringen einzeln in den Achseln dachziegelig übereinanderliegender, großer, verkehrt eiförmiger, grüner Deckblätter mit gelbem Rand. Der Kelch ist kurz, röhrenförmig und einseitig gespalten; die Kronblätter sind grünlichgelb, im unteren Teil röhrig, nach oben erweitert und in drei Zipfeln endend. Staubblätter 6, davon jedoch 5 zu Staminodien umgebildet. Äußere kronblattartig umgebildet, die zwei inneren zu einer auffälligen, dreilappigen, gelb-violett-braun gefleckten Lippe verwachsen. Der Fruchtknoten ist unterständig und dreifächerig, die Frucht eine mehr oder weniger fleischige, beerenartige Kapsel.

Verbreitung: In zahlreichen tropischen Regionen der Erde kultiviert. Ursprüngliche Heimat wahrscheinlich tropisches Südostasien.

Droge: Ingwerwurzelstock besteht aus den getrockneten ganzen oder geschnittenen Wurzelstöcken der Stammpflanze, die entweder vollständig oder nur an beiden Flächenseiten von Kork befreit sind. Die Droge muss einen Mindestgehalt an ätherischem Öl von 15 ml / kg (1,5 %) aufweisen, berechnet auf die wasserfreie Droge.

Beschreibung der Droge: Wurzelstöcke seitlich zusammengedrückt. An der Oberseite mit kurzen, flachen, verkehrt eiförmigen, schrägen Sprossen, die manchmal am Ende eine vertiefte Narbe aufweisen. Ganze Wurzelstöcke 5 - 15 cm lang, 1,5 - 3 (4) cm breit und 1 - 1,5 cm dick, mitunter längsgespalten. Geschälte Wurzelstöcke außen hellbraun, längsgestreift und zuweilen mit freiliegenden Fasern. Ungeschälte Wurzelstöcke außen hellbraun bis dunkelbraun, mehr oder weniger mit Kork besetzt. Dieser mit ausgeprägten schmalen, längs und quer verlaufenden Rippen. Bruch kurz, körnig, mit herausragenden Fasern. Am glatten Querschnitt des geschälten Wurzelstocks ist die schmale Rinde und der viel breitere Zentralzylinder mit den darin verstreut vorliegenden faserigen Gefäßbündeln und Ölzellen mit gelbem Inhalt erkennbar, am ungeschälten zusätzlich eine Außenschicht aus braunem Kork. Schnittdroge weißlich bis hellgelb, scheiben- oder würfelförmig, außen gelegentlich mit Korkfragmenten.

Geruch und Geschmack: Geruch charakteristisch aromatisch, Geschmack würzig und brennend.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Ginferwurzel, Ingberwurzel, Ingwerklauen, Ingwerwurzel, Ingwerzehen. Englisch: Ginger, ginger root, Jamaica ginger. Lateinisch: Radix Zingiberis, Rhizoma Zingiberis.

Herkunft: Ingwer wird in tropischen Regionen aller Kontinente kultiviert. Die wichtigsten Handelssorten stammen aus Indien (Indischer Ingwer), Nigeria und Sierra Leone (Westafrikanischer Ingwer), China und Taiwan (Chinesischer Ingwer), Jamaica (Jamaica-Ingwer) und Australien (Australischer Ingwer).

Inhaltsstoffe: Ingwer enthält ca. 5 - 8 % eines als Oleoresin bezeichneten, dunklen, gelbbraunen und hochviskosen Balsams, dessen wichtigste Bestandteile Scharfstoffe (25 - 30 %) und ätherisches Öl (20 - 25 %) sind. Ingwer enthält ca. 5 - 8 % eines als Oleoresin bezeichneten, dunklen, gelbbraunen und hochviskosen Balsams, dessen wichtigste Bestandteile Scharfstoffe (25 - 30 %) und ätherisches Öl (20 - 25 %) sind. Hauptkomponenten der Scharfstofffraktion mit einem Anteil von 25 % sind die Gingerole. Bei diesen handelt es sich eine homologe Reihe, deren Kohlenstoffgrundgerüst aus Ferulasäure, Malonsäure, und einer aliphatischen Fettsäure gebildet wird. Das scharfe Prinzip der Droge ist das als [6]-Gingerol bezeichnete Derivat, bei dem als aliphatische Fettsäure Hexansäure eingebaut wurde. Demgegenüber besitzen [8]-Gingerol und [10]-Gingerol kaum einen scharfen Geschmack. Neben den Gingerolen finden sich die Abbauprodukte darstellenden Shoganole (u. a. [6]-Shogaol), das unter ungünstigen gebildete Zingeron, die Dedydrogingerdione, bei denen es sich um Biogenese-Intermediate der Gingerole handelt, die für speziell für Curcuma-Arten charakteristischen Curcuminoide (Diarylheptanderivate) und zum Teil Diterpenlactone. Hauptkomponenten des ätherischen Öls (Gehalt bezogen auf die gesamte Droge bis 3 %) sind Sesquiterpenkohlenwasserstoffe vom Bisabolan-Typ, vor allem (-)-α-Zingiberen, ferner u. a. ß-Bisabolen, (-)-ß-Sesquiphellandren und (+)-ar-Curcumen.
Im Gegensatz zur getrockneten Droge finden sich in frischem Ingwerwurzelstock eine Reihe sulfatierter Verbindungen. Bei diesen handelt es sich um Derivate der Gingerole, bei denen die Sulfatgruppe in Position 5 vorliegt (6-Gingesulfonsäure und 4-Gingesulfonsäure), sowie um die Shogasulfonsäuren, bei denen es sich um Diarylheptanderivate handelt (z. B. Shogasulfonsäure A).

Wirkungen: Antiemetisch, positiv inotrop, Förderung der Speichel- und Magensaftsekretion, cholagog, Steigerung von Tonus und Peristaltik des Darms. In zahlreichen pharmakologischen Untersuchungen wurde für Extrakte und diverse isolierte Substanzen eine Reihe weiterer Wirkungen nachgewiesen. Zu diesen zählen u. a. analgetische, antirheumatische, entzündungshemmende, cholesterolsenkende und zentral dämpfende Wirkungen.

Anwendungsgebiete: Dyspeptische Beschwerden. Verhütung der Symptome der Reisekrankheit.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Die traditionelle Anwendung von Ingwer besitzt insbesondere in China eine über tausendjährige Tradition. Rezepturen finden sich sowohl in der im Mawangdui-Grab gefundenen Rezeptursammlung „Wushier Bingfang“ als auch in der aus der Ming-Dynastie stammenden Rezeptur „Zhisuo Erchen Tang“. Gebraucht wird Ingwer in der chinesischen Volksheilkunde zur Stärkung von Magen- und Verdauungsfunktion, bei Übelkeit, Rheumatismus, Zahnschmerzen, Lungenerkrankungen, gegen Haarausfall und als Aphrodisiakum. Ähnliche angewendet wird die Droge ebenfalls seit Jahrtausenden in Indien. Verbreitete Anwendungsgebiete in der Volksheilkunde Mitteleuropas sind Neurasthenie, chronische Enteritis, Husten, Harnverhaltung, Unterleibsleiden, Rheuma und Halsentzündung. Die Wirksamkeit für diese Anwendungsgebiete ist bislang nicht belegt.

Gegenanzeigen: Keine Anwendung bei Schwangerschaftserbrechen. Bei Gallensteinleiden nur nach Rücksprache mit einem Arzt anwenden.

Unerwünschte Wirkungen: Bei empfindlichen Personen können nach Kontakt mit dem Drogenpulver allergische Reaktionen auftreten.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Nicht bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Tagesdosis 2 bis 2 g Droge. Als Antiemetikum 0,5 g getrocknete Pulverdroge in Form von Fertigarzneimitteln 30 Minuten vor Reisebeginn und nachfolgend alle 4 Stunden oder 2 g frisch gepulverte Droge mit etwas Flüssigkeit einnehmen. Bei dyspeptischen Beschwerden 0,5 - 1,5 g grob gepulverte Droge mit 1 Tasse kochendem Wasser übergießen und nach 5 - 10 Minuten durch ein Teesieb geben. Vor den Mahlzeiten eine Tasse trinken.

Sonstige Verwendung: Als Gewürz für die Herstellung von Lebensmitteln, Backwaren, Süßigkeiten und Getränken, ferner als Aromastoff in der Kosmetik und Parfümerie. Bekanntestes ingwerhaltiges Getränk ist das kohlensäurehaltige Ginger Ale, welches aufgrund der zitronenartigen Note und der Schärfe einen erfrischenden Geschmack aufweist.


Bilder:
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Zeichnung aus Köhler's Medizinal-Pflanzen (linke Abbildung), ganze Pflanze (Abbildung unten) und frische Wurzelstöcke (rechte Abbildung).

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Literatur: USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database]. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. URL: http://www.ars-grin.gov/var/apache/cgi-bin/npgs/html/taxon.pl?42254 (09 March 2004); Germer S, Franz G, Ingwer - eine vielseitige Arzneidroge / Anwendung und DC-Prüfung gemäß DAB 1997, Deutsche Apotheker Zeitung 47 (1997): 4260-4266; Falch B, Reichling J, Saller R, Ingwer - nicht nur ein Gewürz / Untersuchungen zu Wirkungen und Wirksamkeit, Deutsche Apotheker Zeitung 47 (1997): 4267-4278; Hori Y, Miura T, Hirai Y, Fukumura M, Nemoto Y, Toriizuka K, Ida Y, Pharmacognostic studies on ginger and related drugs - part 1: five sulfonated compounds from Zingiberis rhizome (Shokyo), Phytochemistry 62 (2003): 613-617; Penna SC, Medeiros MV, Aimbire FSC, Faria-Neto HCC, Sertie JAA, Lopes-Martins RAB, Anti-inflammatory effect of the hydralcoholic extract of Zingiber officinale rhizomes on rat paw and skin edema, Phytomedicine 10 (2003): 381-385; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; Schilcher H, Kammerer S, Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer Verlag, München - Jena 2003; Hager-ROM, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 2003; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 90 vom 15.05.1985, Monografie der Kommission B8, Balneologie, Bundes-Anzeiger Nr. 85 vom 05.05.88 (Berichtigung 01.09.90, 13.03.90); Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002 und 5. Ausgabe, Grundwerk 2005.


© Thomas Schöpke